Performance
Process

Eine Kooperation des Museum Tinguely,
der Kaserne Basel
und der Kunsthalle Basel,
in Partnerschaft mit dem Centre culturel suisse Paris

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«Ich will die Sprachen und Codes der Kunst verwenden und sozial aktiv werden. Die Frage, ob das dann noch Kunst ist oder nicht, ist mir dabei ziemlich egal.»

Yan Duyvendak im Gespräch mit dem Journalisten Dominikus Müller

Dominikus Müller: „Energy yes, quality no“ kann man auf deiner Webseite lesen. Ein Zitat des Künstlers Thomas Hirschhorn. Was ist das Problem mit Qualität? 

Yan Duyvendak: In diesem Satz geht es mehr um Inhalt und weniger um Form. Und das finde ich spannend. Wichtig ist die Energie. Und dass man etwas gibt. Wenn es dann schiefgeht, dann ist es auch nicht so schlimm. 

DM: Ist das etwas, was Performance besonders gut kann: eine bestimmte Energie generieren? 

YD: Performance ist für mich erst einmal eine offene Form, sie ist von sich aus nicht weniger oder mehr dazu geeignet, Energie zu generieren. Ich bin kein Performer im Sinne der Body Art, das interessiert mich weniger. Energie braucht man ja überall, Energie braucht man auch für eine Zeichnung. 

DM: Du hast zunächst zeitgenössische Kunst studiert, dann aber bis du ins Feld der Performance und der darstellenden Künste gewechselt. Was hat dich am herkömmlichen Kunstbetrieb gestört? 

YD: Kunst im klassischen Sinn ist ein extrem individualistisches Medium und Milieu. In der sogenannten Live Art gibt es sehr viel mehr Zusammenarbeit – und vielleicht auch mehr Solidarität. Und außerdem gibt es dort nicht dieses Versprechen à la „Und vielleicht kannst du deine Arbeit ja irgendwann verkaufen“. Deine Arbeit ist immer genau das, was gezeigt wird. Punkt. 

DM: Macht es für dich einen Unterschied, ob eine Performance in einem Museumsraum stattfindet oder nicht? 

YD: Mir ist eigentlich sehr viel wichtiger, dass meine Stücke auch komplett außerhalb dieser abgeschotteten Räume funktionieren, ganz egal, ob das nun Kunst- oder Theaterräume sind. Ich mache auch immer mehr Arbeiten, die nicht mehr fürs Theater gedacht sind. Mein jüngstes Projekt «Actions» beispielsweise ist ein Projekt für und mit Flüchtlingen und es findet nur in Räumen statt, die eine politische Funktion haben, in Gemeindesälen oder dergleichen. Kunst- und Theaterräumen hängt per definitionem immer etwas Elitäres an. Man richtet sich darin nur an ein ganz bestimmtes Publikum, das solche Institutionen besucht. Man spricht immer nur mit denselben Leuten. Ich finde, Kunst ist eine Kommunikationsform und deswegen muss man schon versuchen offenzubleiben.

DM: Ist dann die Frage, ob das Projekt einen Kunstcharakter hat oder nicht, überhaupt noch von Belang? 

YD: Ich will die Sprachen und Codes der Kunst verwenden und sozial aktiv werden. Das finde ich unglaublich spannend. Die Frage, ob das dann noch Kunst ist oder nicht, ist mir dabei ziemlich egal. 

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Bild aus «Actions», Festival Far° Nyon, 2016 © Jorge Cadena

DM: Für ein anderes großes Projekt der letzten Zeit, «Sound of Music», hast du die Form des Musicals genutzt. Geht es hier nicht gerade um den Bühnenraum, um die «ganz große Bühne»? 

YD: Ja und nein. «Sound of Music» benutzt eine populäre Form, eben das Musical, um damit sehr schwere Themen direkt anzusprechen. Wir wollten ein politisches, sozial und ökologisch engagiertes Musical machen. Aber das hat aus mehreren Gründen nicht funktioniert. Wir haben das Stück nur etwa 30 Mal gezeigt. Es ist extrem groß und teuer und kompliziert, aber das große Publikum ist leider doch nicht gekommen. Das war schade. 

DM: An Performance war für dich wichtig, dass sie mit den Dogmen bricht, schreibst du in einem Text auf deiner Webseite. Was waren diese Dogmen damals vor 25 Jahren, als du angefangen hast? Und was sind sie heute? 

YD: Damals war es tatsächlich die Form von Performance selbst, die festgelegten Definitionen davon, was Performance ist und was nicht. Ich fand es wichtig, das zu durchbrechen und zu hinterfragen. Ist es wirklich nötig, dass die Dinge so sind, wie sie sind? Oder können sie auch anders sein? Und heute findet sich das Dogma, jedenfalls für mich, genau in der Frage, ob etwas Kunst ist oder nicht. 

DM: Bei PerformanceProcess werden frühere Arbeiten von dir gezeigt. Für «Keep it Fun for Yourself», das du 1995 begonnen hast, singst du beispielsweise nackt und a-capella Songs, die mit Kunst zu tun haben, und in «My Name is Neo (for fifteen minutes)» von 2001 spielst du live eine Actionsequenz aus dem Film Matrix nach. Ging es dir damals um das Ausloten des Gegensatzes zwischen einem Medienbild und dem eigenen Körper? 

YD: An «My Name is Neo» finde ich immer erst einmal spannend, dass ich ja genauso alt bin wie der Hauptdarsteller Keanu Reeves, dessen Bewegungen ich nachahme. Ich begebe mich in direkte Konfrontation mit einem festgelegten Bild. Und klar, es geht in solchen Arbeiten schon darum, wie man als Mensch mit den Modellen lebt, die die Gesellschaft einem vorschlägt. 

DM: Wie ist es für dich, darauf zurückzugucken? 

YD: Es ist eine Zeit, die viel unschuldiger war. Zumindest ich war sehr viel unschuldiger. Und ich bin froh, dass ich heute woanders bin. Aber natürlich hat auch ein Projekt wie Actions viel mit unserem Verhältnis zu Medienbildern zu tun. Denn das Bild, das wir von den Flüchtlingen in Europa haben, ist von den Medien beeinflusst. Was passiert, wenn man hinter dieses Medienbild guckt? Die Leute sollen sich treffen, direkt und auf Augenhöhe. Ob das nun das Publikum ist, das Flüchtlinge trifft, oder die Flüchtlinge, die Politiker treffen. Erst wenn man sich wirklich trifft, ist man außerhalb der medial vermittelten Welt.

Yan Duyvendak wird seine Arbeiten «Keep it Fun for Yourself», «Self Service» und «My Name is Neo» am 2. Dezember 2017 um 16.30 Uhr live im Museum Tinguely zeigen.



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